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Artikel: WAS BEDEUTET FAIRE PRODUKTION?

WAS BEDEUTET FAIRE PRODUKTION?

WAS BEDEUTET FAIRE PRODUKTION?

Als ich angefangen habe, an wild woman underwear zu arbeiten, wollte ich auf jeden Fall fair produzieren. Alles andere wäre für mich nicht tragbar gewesen. Damals hatte ich vor allem eines im Kopf: Alle, die an der Herstellung der Unterwäsche beteiligt sind, sollten einen gerechten Anteil für ihre Leistung erhalten.  

Vor knapp einem Jahr habe ich das noch ganz selbstverständlich als Ziel gesetzt. Mittlerweile ist alles um ein Vielfaches komplexer und mir ist es wichtig, dir zu erklären, was ich im letzten Jahr über die Herausforderungen einer (fairen) Textilherstellung gelernt habe. Denn, auf der einen Seite versteht jede:r etwas anderes darunter, fair zu produzieren. Auf der anderen Seite sind manche Vorstellungen von Fairness in unserem jetzigen Wirtschaftssystem kaum umzusetzen.

Heute möchte ich dir beschreiben, was ich unter einer fairen Produktion verstehe und was wir mit der ersten Kollektion von wild woman underwear tatsächlich umsetzen können.

In meinen Augen bedeutet eine faire Produktion, dass drei Bedingungen sichergestellt sind:

  1. Die Textilarbeiter:innen arbeiten in einem menschenwürdigen und sicheren Arbeitsumfeld

  2. Die Textilarbeiter:innen haben reguläre Arbeitszeiten und regelmäßige Pausen

  3. Die Textilarbeiter:innen werden fair entlohnt

Menschenwürdiges und sicheres Arbeitsumfeld

Ein menschenwürdiges und sicheres Arbeitsumfeld scheint für viele von uns selbstverständlich. Gleichzeitig ist gerade in der Textilbranche diese Selbstverständlichkeit nicht gewährleistet. Du wirst dich vermutlich noch an das Einstürzen der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch erinnern können. Mehr als 1.000 Menschen sind damals ums Leben gekommen, über 2.000 wurden verletzt. Viele Menschen verloren nicht nur ihre geliebten Mitmenschen, sondern auch ihre Existenzgrundlage.  

Das Unglück löste international großes Entsetzen aus und warf endlich ein Licht auf die groben Missstände in der Textilindustrie. Fehlende Gebäudesicherheit und Brandschutz, ungeschützter Umgang mit Chemikalien sowie fehlender Arbeitsschutz sind in vielen Textilfabriken auch heute noch völlig normal. Auch ein Verbot von Gewerkschaften bzw. gewerkschaftsfeindliches Vorgehen der Fabrikbesitzer, Kinderarbeit und sexuelle Belästigung sind für viele Textilarbeiter:innen Realität.

Ein menschenwürdiges und sicheres Arbeitsumfeld stellt sicher, dass Textilarbeiter:innen solchen Gefahren nicht ausgesetzt sind. 

Reguläre Arbeitszeiten und regelmäßige Pausen

Aufgrund der niedrigen Entlohnung in der Textilindustrie werden viele Arbeiter:innen förmlich gezwungen, Überstunden zu leisten um ihre Existenz zu sichern. Lange Arbeitszeiten (mehr als 14 Stunden und zum Teil sogar 24 Stunden) ohne Anspruch auf Urlaubstage sind für viele Arbeiter:innen in der Textilindustrie gängig. In vielen Betrieben werden auch die (Toiletten-)Pausen unterbunden, in dem das Wassertrinken rationiert wird.

Eine faire und angemessene Arbeitswoche sollte in der Regel nicht mehr als 48 Stunden haben, verteilt auf sechs Arbeitstage, ohne Überstunden (mehr Informationen). Es sollte regelmäßige und planbare Pausen geben. Jede:r Arbeiter:in sollte auch einen Anspruch auf Urlaubstage haben, idealerweise mindestens den gesetzlichen Vorgaben entsprechend.

Faire Entlohnung

Eine faire Entlohnung von Arbeiter:innen ist in der Textilindustrie in der Regel nicht gegeben. Für viele Länder stellt die Herstellung von Textilien eine wichtige Einnahmequelle dar. Beispielsweise liegt der Anteil der Textilproduktion am Export in Ländern wie Bangladesch bei 80%. In einer derartigen Situation der Abhängigkeit ist der Verhandlungsspielraum, vor allem gegenüber großen internationalen Modekonzernen sehr gering. Die Kosten der Textilproduktion werden zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit niedrig gehalten, auf Kosten der Arbeiter:innen.

Für Näher:innen bedeutet das häufig, dass sie einen derartig geringen Lohn erhalten, dass sie ihre Existenz davon nicht sichern können. Auch bei Überstunden, Krankheit oder einer Schwangerschaft (80% der Arbeitskräfte in der globalen Textilindustrie sind Frauen) wird oftmals nicht entlohnt bzw. sogar gekündigt.

Fair ist in meinen Augen, einen existenzsichernden Lohn zu zahlen, der mindestens dem nationalen Mindestlohn entspricht und im Idealfall für ein menschenwürdiges Leben ausreicht.

Wie sieht die Produktion bei wild woman underwear aus?

Für die Suche nach einer Fabrik habe ich mich von Anfang an auf die EU, bzw. auf Portugal und Litauen fokussiert. Beide Länder sind für ihre Textilproduktion bekannt und viele nachhaltige Marken lassen ihre Kleidung dort produzieren. Es muss also fairer zugehen! Doch es ist wichtig zu wissen, dass es auch in Europa Missstände innerhalb der Textilindustrie gibt und auch europäische Hersteller ausbeuterische Praktiken gegenüber ihren Arbeiter:innen anwenden (Produktionsbedingungen in Bulgarien und der Türkei).

Im Austausch mit möglichen Produktionspartnern konnte ich schnell feststellen, dass ich eigentlich keine Wahl habe. Genau so wie beim Sourcen vom Material sind auch die allermeisten Fabriken darauf ausgelegt, hohe Stückzahlen zu produzieren. Vor allem bei Unterwäsche sind die Stückzahlen um ein Vielfaches höher, weil sich eine Produktion sonst überhaupt nicht lohnen würde. Die meisten Fabriken forderten eine Mindestbestellmenge von 300 Stück pro Style, was am Anfang für uns nicht leistbar ist.

Als ich unseren Produktionspartner endlich fand und ihre Produktionsbedingungen erfüllen konnte, war ich so froh, dass meine Vorstellungen über eine faire Produktion leider an zweite Stelle gerückt sind. Das soll nicht heißen, dass Fairness unwichtig geworden ist, sondern dir lediglich zeigen, dass es als neues Label eine Handvoll von Fabriken gibt, die überhaupt mit dir zusammenarbeiten würden. Davon würden wiederum nur einige den Anforderungen einer fairen Produktion entsprechen. Als die ersten Samples meine Vorstellungen erfüllt. Um eine finale Entscheidung über den Produktionspartner zu treffen, unterhielt ich mich schlussendlich mit der Fabrik über ihre Produktionsbedingungen vor Ort.  

Sylvan ist ein familiengeführtes Unternehmen, das seit knapp 40 Jahren Unterwäsche und Bademode herstellt. Die Fabrik beschäftigt ca. 60 Leute, davon sind etwa 40 Näher:innen. Ihre reguläre Arbeitszeit liegt bei 8 Stunden pro Tag und 40 Stunden pro Woche. Sie erhalten 22 Urlaubstage.

Die Näher:innen erhalten den gesetzlich festgeschriebenen Mindestlohn in Portugal in Höhe von 705€. Außerdem erhalten sie einen Zuschuss zu ihrem Mittagessen und eine weitere Bonuszahlung. Fehlzeiten aufgrund von Krankheit oder Mutterschutz werden entlohnt. Seniore Kolleg:innen erhalten einen höheren Lohn, die Entlohnung von Schnittmacher:innen liegt bei ca. 1.000€.

Mein bisheriger Eindruck ohne die Fabrik bereits besucht haben zu können ist durchweg positiv. Auch nach Rücksprache mit anderen Gründer:innen, die seit vielen Jahren mit Sylvan zusammen arbeiten, bin ich davon überzeugt, dass die Näher:innen dort in einem guten Umfeld arbeiten. 

Was ich mir jedoch erhofft hatte, war, dass unser Produktionspartner einen existenzsichernden Lohn zahlen würde. Sylvan zahlt ihren Näher:innen aber genau das, was andere Fabriken in der Region zahlen, nicht mehr und nicht weniger. In Portugal läge ein existenzsichernder Lohn jedoch ca. 30% über dem heutigen Mindestlohn (mehr Informationen). Leider erhalten nur 2% aller Textilarbeiter:innen einen existenzsichernden Lohn (mehr Informationen). Selbst GOTS-zertifizierte Fabriken verpflichten sich nur dazu, den gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen und müssen die Lücke zum existenzsichernden Lohn lediglich ausweisen (GOTS-Kriterien).

Auch wenn ich mir sehr wünsche, dass alle Näher:innen einen existenzsichernden Lohn erhalten würden, so hat sich bei mir die Erkenntnis eingestellt, dass das de facto zurzeit kaum möglich ist. In dem Wissen, dass die Näher:innen bei Sylvan gut behandelt werden, habe ich mich entschlossen, diesen Kompromiss am Anfang einzugehen. In der Zukunft plane ich jedoch, einen Weg zu finden, Näher:innen einen existenzsichernden Lohn zu zahlen und damit unseren Ansprüchen einer fairen Produktion besser gerecht zu werden.  

 

Weitere Quellen zum Nachlesen:

https://fashionchangers.de/fashion-mythen-ist-die-textilproduktion-in-europa-immer-fair-und-nachhaltig/

https://fashionchangers.de/weisst-du-wieviel-textilbeschaeftigte-wirklich-verdienen%ef%bf%bc/

https://www.textilbuendnis.com/themen/sektorrisiken/arbeitszeiten/

https://www.theindustrywewant.com/wages

https://cleanclothes.org/campaigns/europe-floor-wage

https://cleanclothes.org/poverty-wages

https://global-standard.org/the-standard/gots-key-features/ecological-and-social-criteria

 

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